Theater-ABO: „Jeeps“ – Anarchie und Erbschaftreform: Das System wird auf den Kopf gestellt!
Hockenheim, 09.09.2024
Am 4. Juli 2024 besuchten die Schüler/innen des Theater-Abos in Begleitung von Frau Del Mul die letzte Vorstellung des Schuljahres 2023/2024. Die Aufführung des Stückes „Jeeps“ von Nora Abdel-Maksoud begeisterte dabei in vielerlei Hinsicht.
Bereits zu Beginn sorgte ein von der Decke hängendes Auto für Aufsehen. Auch inhaltlich enttäuschte die Inszenierung nicht. Mit dem aktuellen Thema, der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, wurde uns die Figur Silke nähergebracht. Sie ist eine Start-Up-Unternehmerin, deren Vater kürzlich verstorben ist. Eigentlich hätte sie sein Erbe erhalten sollen, doch der Staat hat ein neues Konzept eingeführt: Das Erbe kann nicht mehr direkt an die Kinder vererbt werden, sondern wird in eine Lotterietrommel geworfen. Begründet wurde dies mit einer „Eierstocklotterie“, die besagt, dass der Wert des Erbes ganz davon abhängt, in welche Familie man hineingeboren wurde. Mit der neuen Regelung soll erreicht werden, dass nun jeder die Chance hat, ein Erbe zu gewinnen.
Im Jobcenter, das sich nun auch um die Lose kümmert, arbeiten Gabor und Armin. Armin ist ein älterer Mitarbeiter, dessen Frau ihn kürzlich verlassen hat. Gabor hingegen ist für die Lose zuständig und erscheint zunächst als emotionsloser Beamter, der auf Perfektion besteht. Selbst ein kleiner Formfehler führt bei ihm zur Ablehnung eines Antrags und er würde niemals aus Mitleid gegen die Regeln verstoßen. Gabor ist aber vor allem auf seinen neuen Geländewagen stolz.
Silke, die es als absolut unfair empfindet, ihr Erbe nicht zu bekommen, freundet sich mit Maude, einer seit Jahren arbeitslosen Schriftstellerin, an. Beide haben kein gutes Verhältnis zu Gabor und beschließen, ihn zu erpressen, indem sie ihm mit der Zerstörung seines Autos drohen.
Es folgte ein ständiges Hin und Her. Nach und nach werden immer mehr unglaubliche Wendungen aufgedeckt. Tatsächlich gelingt es Silke und Maude den eigentlich regelgetreuen und strengen Gabor dazu zu bringen, die Lotterietrommel zu öffnen und gezielt ein schlechtes Los mit Schulden für Silke herauszuziehen. Maude filmt das Ganze und auch Armin entpuppt sich als einer ihrer Komplizen. Mit Hilfe des Videos will er Gabor weiter erpressen, da auch er Geldprobleme hat und hofft, mit einem guten Los seine Frau zurückzugewinnen. Doch keines der vielversprechenden Lose ist mehr da….
Gabor, der bisher emotionslos und regelgetreu erschien, gibt preis, dass er die wertvollsten Lose an die kleinen Kinder geheftet hat, die meist im Jobcenter sind, um für ihre Eltern Jobs zu finden. Mit dieser Information stürzen sich die enterbten Söhne und Töchter auf die Kinder und sind bereit, alles zu tun, um ein gutes Los von deren Rücken zu kratzen.
Abschließend lässt sich sagen, dass Begriffe wie die „Eierstocklotterie“, eine Metapher für die Zufälligkeit des Lebens und die ungerechte Verteilung von Chancenist, die auf satirische Weise beleuchtet wurden und dafür sorgten, dass dem Publikum das anfängliche Lachen spätestens nach der letzten Szene im Halse stecken blieb. Die gesellschaftskritische Botschaft war unübersehbar und regte zu intensivem Nachdenken an. Besonders beeindruckend war auch die Charakterentwicklung der Protagonisten, die im Laufe des Stücks drastische Veränderungen durchmachten. Von anfänglicher Oberflächlichkeit und wenig Empathie entwickelten sie sich zu vielschichtigen Figuren, deren Handlungen und Motive tiefgründig hinterfragt wurden. Dies war nur durch die herausragenden schauspielerischen Leistungen möglich: Es gelang den Darstellern meisterhaft die satirischen und ernsthaften Elemente des Stücks in Einklang zu bringen. Insgesamt war „Jeep“ im Nationaltheater Mannheim eine beeindruckende Aufführung und ein gelungener Abschluss für unser diesjähriges Theaterabonnement.
Text: Annika Wenzler (J1)
Fotos: CFG
WICHTIGER HINWEIS:
Informationen für das Theater-Abo im Schuljahr 2024/2025 folgen Ende September/Anfang Oktober!